Titel
Die Universität. Geschichte einer europäischen Institution


Autor(en)
Koch, Hans-Albrecht
Erschienen
Darmstadt 2008: Primus Verlag
Anzahl Seiten
320 S.
Preis
€ 39,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Wolfgang E. J. Weber, Institut für Europäische Kulturgeschichte, Universität Augsburg

Der an das breite Publikum gerichtete Band des Bremer Literatur- und Bildungswissenschaftlers bietet in erzählender Darstellungsweise einen Überblick über die Grundzüge der Universitätsgeschichte sowie Reflexionen zu den üblicherweise als besonders wichtig erachteten Aspekten der historischen und der gegenwärtigen Universität. Auf die Einführung unter dem Titel "Die Universität als europäische Institution", die im Hinblick auf das Adjektiv nicht überzeugen kann, folgen fünf epochenbezogene Kapitel unterschiedlicher Länge. Das Mittelalter wird durch die Beifügung "Theologen und Juristen" charakterisiert; abgeschlossen ist es durch eine Betrachtung des gelehrten Unterrichts im Byzantinischen Reich. Für die Frühe Neuzeit hat Hans-Albrecht Koch die Qualifizierung "Aufbruch und Beharrung" gewählt. Von den etwas über vier Seiten des Schlussabschnittes hier zu den Anfängen des amerikanischen Universitätswesen entfallen mehr als die Hälfte auf England und Schottland; mit "amerikanisch" ist ausschließlich nordamerikanisch gemeint. Die anschließende Phase des 18. und frühen 19. Jahrhunderts wird unter das Leitmotto "Beharrung und Reform" gestellt. Als in einem eigenen Abschnitt diskutierte "Reformmodelle" werden die einschlägigen Ideen von Kant, Schleiermacher, Humboldt und Fichte skizziert. Hier bildet ein kurzer Seitenblick auf "Napoleon und die Naturwissenschaften an den französischen Ècoles" den Schlussabschnitt. Das folgende 19. Jahrhundert gilt als Epoche "Wiederholte(r) Reformen", einbezogen ist sehr knapp auch wieder Großbritannien. Das 20. Jahrhundert der Universität sieht der Autor als "Im Zugriff der Politik" gekennzeichnet. Dieses im Vergleich nahezu dreimal längere Kapitel entfaltet ein weites Spektrum entsprechender Entwicklungen, das vom Frauenstudium über die Politisierung in den Diktaturen, Wiederaufbau, den Studentenunruhen 1968, sonstigen Hochschulen und der außeruniversitären Forschung bis zur Universität als Thema der Belletristik reicht. Am Ende steht ein knapper Ausblick auf die Gegenwart, nicht wirklich originell, aber doch anregend untertitelt mit "Von Bologna bis Bologna". Danach folgen Bibliographie, Register und Abbildungsnachweis.

Die lockere, bunte, zum Teil impressionistische Präsentation hat zumal in Verbindung mit den Illustrationen und zahlreichen Quellenausschnitten durchaus ihre Vorzüge. Auf der Habenseite ist ferner die Behandlung sonst weniger beachteter Aspekte zu verbuchen, so die Universitätsarchitektur sowie – besonders ausführlich – wie bereits angesprochen die belletristische Verarbeitung des Universitätslebens. Auch der Einbezug wesentlicher historischer Rahmenbedingungen, vor allem die politisch-kulturelle Lage des Westens im Schlüsseljahr 1968, sind sehr zu begrüßen und dürften dem Bild von der Universität, welches der allgemein interessierte Leser dieses Buches erhält, sehr zugute kommen. Dem fachkundigen und systematisch Interessierten können andererseits manche Schwächen nicht verborgen bleiben: die weitgehende Unklarheit darüber, was denn nun den europäischen Charakter der Universität ausmacht; das recht beliebige Changieren von einem europäischen bzw. nationalen Universitätsraum zum anderen in Verbindung mit nicht näher erläuterter Bevorzugung des deutschen Raumes; parallel dazu die ebenfalls nicht näher begründete häufige und nachdrückliche Behandlung bestimmter Disziplinen oder Disziplingruppen und die Nichtbehandlung anderer; in gleicher Weise die detailfreudige Darlegung von eher Randphänomenen (etwa dem Berliner Republikanischen Klub 1967/68, S. 228) und das stillschweigende Ausblenden deutlich wichtiger erscheinender Fragen, etwa derjenigen nach der Unterschiedlichkeit und dem Wandel der Professorenrollen; die teilweise ungewöhnlichen, dennoch nicht diskutierten Epocheneinteilungen; die Nichtübereinstimmung von Text und Illustrationen besonders im Kapitel zum Mittelalter, wo mehr als die Hälfte der Bildbeigaben die Frühe Neuzeit betreffen; das Fehlen einer systematischen Definition des eigenen Standpunktes, von dem her sich die verstreute Kritik an bestimmten Erscheinungen, erwartungsgemäß besonders der jüngsten Gegenwart, besser verstehen ließe, u.ä. Mit anderen Worten, wir haben es hier mit einem doch eher persönlich gefärbten Beitrag eines deutschen Professors mit internationalem Horizont zu tun, der gleichwohl dem breiteren Publikum Wesentliches und Wichtiges zu vermitteln in der Lage ist.

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